Zuweilen ist es angebracht, wenn man zurückschaut auf die Äußerungen in Interviews oder – wie in diesem Fall – auf die Kommentierungen im Rahmen der Fernsehdokumentation „Hungerlohn am Fließband. Wie Tarife ausgehebelt werden“, die das ARD am 13.05.2013 ausgestrahlt hat. Dort ging es um Werkverträge bzw. unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung beim Autobauer Daimler und direkt in Anschluss an die Sendung gab es dann eine Ausgabe von „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg zu diesem Thema.

Hermann G. Abmayr berichtet in der neuen Ausgabe der „Kontext: Wochenzeitung“ über die Folgen dieser Doku unter der bezeichnenden Überschrift Weniger Werkverträge bei der Daimler AG. Dem Artikel kann man folgendes entnehmen:
»“Ohne den ARD-Film ‚Hungerlohn am Fließband‘ wären wir heute bei Daimler längst nicht so weit“, sagt Christa Hourani. Die Stuttgarter Betriebsrätin war selbst einmal über einen Werkvertrag für den Autobauer tätig und setzt sich seit Jahren für Leih- und Werkvertragsbeschäftigte ein. Mit wenig Erfolg. „Doch seit Mai standen Geschäftsleitung und Betriebsrat unter Handlungsdruck“, sagt die gelernte Programmiererin. Auch der Besuch von Fahndern der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“ habe Wirkung gezeigt, ergänzt der Techniker Georg Rapp, der früher mit einem Werkvertrag in der Entwicklung gearbeitet hat und jetzt ebenso fest angestellt ist. Nach den Publikationen in Folge der ARD-Enthüllung trauten sich betroffen Leiharbeiter und Leihingenieure ihr Rechte einzufordern oder vor dem Arbeitsgericht auf Festanstellung zu klagen. In zwei Stuttgarter Fällen klagte der Betriebsrat wegen illegaler Werkverträge. Und in den Daimler-Werken in Bremen, Sindelfingen und Wörth am Rhein kam es wegen drohender Fremdvergabe über Werkverträge zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen.«

Und weiter erfahren wir:
Kurz vor Weihnachten hat Daimler dann für einen Stuttgarter Unternehmensteil mit rund 13.000 Beschäftigten zugesichert, dass von den etwa 2.000 Werkverträgen rund die Hälfte umgewandelt werden. Die sollen als Leiharbeitskräfte arbeiten – hört sich nach einer nur halben Verbesserung an, ist auch so, aber dennoch angesichts der spezifischen Regelungen zur Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie für die Betroffenen eine Besserstellung als im Werkvertrag. Nicht zuletzt weil es dafür inzwischen einen Tarifvertrag gibt. Eine ähnliche Regelung gibt es für Sindelfingen, wo 39.000 Menschen Pkw montieren oder in wichtigen Entwicklungsabteilungen arbeiten. Nun sollen zumindest 1.400 Werkverträge umgewandelt werden.

Wie immer im Leben gibt es ein „Aber“: Daimler-Chef Zetsche kann es nicht lassen und setzt auch weiterhin auf Werkverträge – nur das man aus der Berichterstattung und den fachlichen Anmerkungen gelernt hat: Man bemühe sich, »die Werkverträge in den Werken und Büros so zu formulieren und so umzusetzen, dass sie juristisch wasserdicht sind. So gebe es für Daimler-Beschäftigte ein Sprechverbot mit Werkvertragsleuten für alle Fragen, die die Arbeit betreffen. Grund: Sie dürfen keine Anweisungen ihrer Daimler-Kollegen entgegennehmen.«

Jetzt dürfen wir gespannt sein, was die Große Koalition aus diesem Thema macht. Zumindest auf der Ankündigungsebene wurde dazu ja schon einiges in Aussicht gestellt – allerdings weiß jeder, der sich in der komplexen ökonomischen und juristischen Gefechtslage auskennt, dass das wesentlich schwieriger werden wird als bei der Re-Regulierung der Leiharbeit, die ja auch noch lange nicht, um das mal vorsichtig zu formulieren, „befriedigend“ gelöst ist.
Wenn man einen Blick wirft in den Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD, dann findet man an zwei Stellen was zum Thema Werkverträge:

Zum einen ganz vorne in der Präambel auf der Seite 9:

»Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit werden wir verhindern.«

Und dann im Arbeitsmarkt-Teil des Vertragswerkes auf der Seite 69 einen längeren Absatz mit konkreten Ausführungen:

»Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern
Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch effektiver zu gestalten, zu erleichtern und im ausreichenden Umfang zu personalisieren, die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sicherzustellen, zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber dürfen auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt sein, als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Der gesetzliche Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer muss sichergestellt werden.
Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.«

Das sind schon mal konkrete Ansätze und die müssen alsbald auf den gesetzgeberischen Weg gebracht werden.

Fazit: Es ist der Regelfall, dass kritische Medienberichte – wenn überhaupt – punktuell Aufmerksamkeit erzeugen und dann schnell wieder in der Versenkung verschwinden, so hat die ARD-Doku doch erhebliche und wenigstens partiell positive Auswirkungen entfalten können – übrigens weit über Daimler hinaus, denn viele andere Unternehmen haben sich im Anschluss an die Doku mit dem Einsatz von Werkvertragsunternehmen intensiv beschäftigen müssen. Und der Bericht sowie die anschließende breite Berichterstattung in den Medien hat sicher auch einen Beitrag geleistet dafür, dass es zu der Bewegung im politischen Raum gekommen ist, die jetzt ihren Niederschlag gefunden hat in der zitierten Passage des Koalitionsvertrages.

Die ARD-Dokumentation „Hungerlohn am Fließband. Wie Tarife ausgehebelt werden“ vom 13.05.2013 auf YouTube: